Forschung
Forschungsprojekte Bauteilfestigkeit

Bewertung des Einflusses realer Bauteilgeometrien auf die Beanspruchbarkeit von Tellerfedern anhand numerischer Simulation

Abgeschlossenes Projekt

Förderinstitution: AVIF
Projektnummer: 309
Projektbearbeitender: Max Benedikt Geilen, M.Sc.
Projektlaufzeit: 01.01.2018 – 31.03.2021

Zeitschriftenbeiträge
2020 M. B. Geilen, M. Klein, M. Oechsner
A Novel Algorithm for the Determination of Walker Damage in Loaded Disc Springs. Materials 13 (7) 2020. doi: 10.3390/ma13071661
2020 M. B. Geilen, M. Klein, M. Oechsner
On the Influence of Ultimate Number of Cycles on Lifetime Prediction for Compression Springs Manufactured from VDSiCr Class Spring Wire. Materials 13 (14) 2020. doi: 10.3390/ma13143222
2019 M. B. Geilen, M. Klein, M. Oechsner
Ermüdungsverhalten von Schraubendruckfedern bei konstanten und variablen Beanspruchungsamplituden bei sehr hohen Schwingspielzahlen. Materialwissenschaft und Werkstofftechnik 50 (11) 2019. doi: 10.1002/mawe.201800136
Konferenzbeiträge
2020 M. B. Geilen, M. Klein, M. Oechsner
Fully automated finite element simulation and evaluation thereof as white-box elements in grey-box models. MSE 2020, Online 2020.
2020 M. B. Geilen, M. Klein, M. Oechsner
Eine generische Programmstruktur zur Durchführung von FE-Analysen. NAFEMS DACH Konferenz 2020, Online 2020.
2019 M. B. Geilen, M. Klein, M. Oechsner
Spring\_stack – ein Modul zur numerischen Simulation von Tellerfedern und Tellerfedersäulen. Ilmenauer Federntag 2019, Ilmenau 2019.

Kurzdarstellung

Im Forschungsprojekt AVIF A 309 „Bewertung des Einflusses realer Bauteilgeometrien auf die Beanspruchbarkeit von Tellerfedern anhand numerischer Simulation“ wurden Methoden zur Beschreibung der Lebensdauer von Tellerfedern unter schwingender Belastung erforscht.

Dazu wurden unterschiedliche Tellerfedern experimentell und numerisch untersucht. Die numerischen Untersuchungen wurden durch weitere Experimente unterstützt. So wurden kugelgestrahlte und nicht kugelgestrahlte, phosphatierte und nicht phosphatierte sowie gedrehte und nicht gedrehte Tellerfedern aus warm gewalztem und kalt gewalztem 51CrV4 mit unterschiedlichen Geometrien untersucht. Ergänzend wurden Versuche an zugehörigen Halbzeugen durchgeführt. Die Ergebnisse gelten also für eine breite Klasse an Tellerfedern.

Die Lebensdauer hängt von verschiedenen Einflussgrößen ab, im Folgenden werden wichtige Einflussgrößen sowie die erzielten Fortschritte in ihrer Bewertung dargelegt.

Tellerfedern werden in den relevanten Normen als achsensymmetrische Bauteile mit rechteckigem Querschnitt beschrieben; die normativ vorgegebenen Formeln zur Berechnung der Kennlinien und der Lastspannungen wurden unter Annahme dieser Geometrie hergeleitet. Reale Tellerfedern sind aber nicht perfekt symmetrisch und ihr Querschnitt ist nur in grober Näherung ein Rechteck. Die Finite Elemente Methode wurde gemeinsam mit der optischen 3D-Metrologie eingesetzt, um die Abbildung des mechanischen Verhaltens signifikant zu verbessern. Durch die detailgenaue Aufzeichnung der Geometrie konnte gezeigt werden, dass die anfängliche Progressivität in den Kennlinien von Tellerfedern durch leicht asymmetrische Geometrien bedingt ist.

Dabei zeigte sich, dass Tellerfedern auch unter Berücksichtigung der dreidimensional vermessenen Geometrie weniger steif wirken als dies rein elastische Rechnungen unter Verwendung des im Zugversuch ermittelten Elastizitätsmoduls vorhersagen. Durch Versuche an aus Tellerfedern entnommenen Proben wurde gezeigt, dass dieses an Federn aus 51CrV4 beobachtete Verhalten nicht durch eine Verringerung des wirksamen Elastizitätsmoduls zu erklären ist. Durch elastischplastische Finite Elemente Analysen wurde gezeigt, dass das beobachtete Verhalten eine Folge des Zusammenspiels von geometrischen Nichtlinearitäten und Eigenspannungen ist. Im Rahmen dieser Untersuchung wurde ebenfalls gezeigt, dass die Superposition von Eigenspannungen in Gegenwart geometrischer Nichtlinearitäten nicht zulässig ist. Zur Berechnung des Spannungszustands wurde ein Verfahren entwickelt, das die Berechnung der Gesamtspannungen in belasteten Federn erlaubt.

Beim Vergleich der Lebensdauer in Schwingversuchen mit numerisch ermittelten Schädigungsmaßen zeigte sich, dass die Beschreibung des mechanischen Verhaltens mit Finite Elemente Modellen gegenüber der Beschreibung mit analytischen Formeln zu geringeren Streuungen führt. Das geht hauptsächlich auf die genauere Beschreibung des Querschnitts und die korrekte Abbildung der Progressivität der Kennlinie in der Nähe der Planlage zurück. Der Einfluss der Mehrachsigkeit des Spannungszustands auf die Lebensdauer wurde untersucht. Uniaxiale Modelle (Normalspannungshypothese) beschreiben das Versagensverhalten von Tellerfedern ähnlich gut wie geeignete mehrachsige Modelle (Gestaltänderungsenergiehypothese).

Aufgrund des nichtproportionalen Spannungszustands – die radiale Spannung ist nicht proportional zur tangentialen Spannung – beschreiben naive mehrachsige Modelle das Versagensverhalten weniger gut.

Zu Beginn des Projekts war nicht bekannt, warum Tellerfedern an den Stellen brechen, an

denen sie brechen, denn die Rissausgangsorte liegen in aller Regel nicht in der laut Berechnung höchstbelasteten Stelle. Im Rahmen dieses Projekts wurde gezeigt, dass der Rissausgang nicht nur von den makroskopischen Spannungen, sondern auch von der lokalen Defektgröße (je nach Typ des Rissausgangs Größe eines mechanischen Defekts, Oberflächenrauheit, Austenitkorngröße oder Einschluss) abhängig ist: Da der Spannungsgradient auf der auf Zug belasteten Unterseite der Tellerfeder in radialer und tangentialer Richtung sehr niedrig ist, können Defekte auch relativ weit vom Ort der höchsten berechneten Schädigung entfernt als Rissausgangsorte wirken.

Dieses Verhalten wird mithilfe des statistischen Größeneinflusses quantitativ berücksichtigt. Der statistische Größeneinfluss wird mithilfe eines Weibull-Modells abgebildet, es ergeben sich ähnliche Weibullexponenten wie in der FKM-Richtlinie Federn und Federelemente. So wird die Prädiktivität des Modells weiter verbessert. Bisher wurde die sogenannte Referenzspannung als Schädigungsmaß für Tellerfedern herangezogen.

Im Rahmen dieses Projekts wurde die bis dahin nur uniaxial verfügbare Referenzspannung

verallgemeinert (Mehrachsigkeit mit von Mises-Vergleichsspannungen sowie Mittelspannungen und Spannungsamplituden nach Manson-McKnight) und mit der Walker-Schädigung als alternatives Schädigungsmaß verglichen. Die Walker-Schädigung eignet sich aus phänomenologischer Sicht ähnlich gut zur Vorhersage der Lebensdauer wie die verallgemeinerte Form der Referenzspannung.

Beide Schädigungsmaße eignen sich besser als die bisher verwendete Referenzspannung. Die verallgemeinerte Referenzspannung liefert bei Berücksichtigung stabiler Eigenspannungen schlechtere Vorhersagen als bei Nichtberücksichtigung derselben, obwohl das Gegenteil zu erwarten wäre. Daher ist aus werkstoffkundlicher Sicht die Walker-Schädigung vorzuziehen.

Am Ende des Projekts existieren somit Lebensdauermodelle, die deutlich genauere Vorhersagen treffen als die zu Beginn des Projekts bekannten Modelle. Das Verständnis der Kennlinien von Tellerfedern wurde verbessert. Die entwickelten Modelle können von den Federherstellern verwendet werden, um ihre Federn effizienter auszulegen. So können sie für eine gegebene Charge Tellerfedern bei beibehaltener Konservativität eine höhere Lebensdauervorhersage als bisher treffen. So wird Leichtbaupotential besser ausgeschöpft und Ressourcen geschont sowie ein Beitrag zur CO2-Reduktion geleistet. Außerdem wird das Risiko von unerwarteten Ausfällen von Tellerfedern und damit Unfällen mit großen Folgeschäden reduziert.

Die Ergebnisse zum statistischen Größeneinfluss und der Verteilung der Rissausgänge, zur Mehrachsigkeit, zu den Schädigungsmaßen sowie zum Einfluss der Eigenspannungen und der Geometrie können zur Optimierung der Fertigungsketten eingesetzt werden. So können weiterentwickelte Tellerfedern die heute an Tellerfedern gestellten Anforderungen mit reduziertem Materialaufwand erfüllen. Dadurch wird nicht nur Material beim Hersteller eingespart, sondern auch Leichtbaupotential noch weiter ausgeschöpft. Die Ergebnisse sind unmittelbar zwar nur für Tellerfedern anwendbar, mit einer entsprechenden

Anpassung können sie jedoch auch auf andere biegebeanspruchte Federelemente angewendet werden. Durch das breite Anwendungsspektrum von Tellerfedern profitieren zahlreiche deutsche Industriezweige indirekt von den Ergebnissen.

Förderhinweis

Das Forschungsprojekt AVIF A 309 „Bewertung des Einflusses realer Bauteilgeometrien auf die Beanspruchbarkeit von Tellerfedern anhand numerischer Simulation“ wird gefördert von der gemeinnützigen Stiftung Stahlanwendungsforschung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V. Zweck der Stiftung ist die Förderung der Forschung auf dem Gebiet der Stahlverarbeitung und –-anwendung in der Bundesrepublik Deutschland. Geprüft wurde das Forschungsvorhaben von einem Gutachtergremium der Forschungsvereinigung der Arbeitsgemeinschaft der Eisen und Metall verarbeitenden Industrie e.V. (AVIF), das sich aus Sachverständigen der Stahl anwendenden Industrie und der Wissenschaft zusammensetzt. Begleitet wird das Projekt von einem Arbeitskreis des VDFI (Verband der deutschen Federnindustrie e.V.).